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Inhalt

Hessisches LAG:
Arztrecht und Medizinrecht

Der Streit über ein ärztliches Weiterbildungszeugnis gehört nicht vor die Arbeitsgerichte

Anmerkung

Einzelfall

Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist bei Berichtigung eines Weiterbildungszeugnisses gemäß der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte nicht gegeben, weil die Entscheidung über den Klageanspruch von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägt ist.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Wiesbaden, 21. Oktober 2022, 8 Ca 152/22, Beschluss

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 21. Oktober 2022 - 8 Ca 152/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Berichtigungsansprüche des Klägers betreffend ein Zeugnis und in diesem Zusammenhang um die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Der Kläger ist in der Zeit vom 15. September bis 31. Dezember 2017 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Er ist als Arzt in Weiterbildung bei der Beklagten in deren Klinik A, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in B tätig geworden. Chefärztin dieser Klinik und weiterbildungsbefugte Ärztin nach der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen (WBO) ist im maßgeblichen Zeitraum Frau Prof. Dr. C gewesen.

Erstmals mit Schreiben vom 30. Juni 2018 an die Beklagte hat der Kläger „um Ausstellung eines wohlwollenden kombinierten Arbeits-Weiterbildungszeugnisses, nebst WB-Anlage zum Zeugnis“ gebeten (Anlage K3, Bl. 20 d.A.). Nach umfangreicher Korrespondenz zwischen den Parteien, wobei die Beklagte die Schreiben des Klägers an die weiterbildungsbefugte Ärztin Prof. Dr. C weitergeleitet hat, hat die Beklagte dem Kläger schließlich mit Schreiben vom 25. Februar 2019 ein Zeugnis übermittelt, welches das Datum 31.12.2017 trägt und von Frau Prof. Dr. C unterzeichnet ist (Anlage K8, Bl. 26f d.A.). Anlagen nach der WBO waren dem Zeugnis nicht beigefügt. Es ist auf Wunsch des Klägers nochmals geändert und im August 2020 ohne die vom Kläger geforderten Anlagen gemäß § 9 WBO an ihn übersendet worden (vgl. den Entwurf des Klägers gemäß Bl. 14ff d.A.). Dieses Zeugnis trägt auch das Datum des 31.12.2017 und ist ausschließlich von Frau Prof. Dr. C unterzeichnet.

Darin heißt es u.A.:

„ZEUGNIS

zur Erlangung der Gebietsbezeichnung Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

(…)    

Ein weiterer Schwerpunkt der Station ist die interaktionszentrierte videogestützte Mutter-Kind-Behandlung nach Downey und Wortmann-Fleischer.

(…)    

Herr Dr. med. D hat gute fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten aufzuweisen und ist als ein klinisch erfahrender Arzt zu beschreiben.

Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Patienten war einwandfrei. Er hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.

Herr Dr. med. D ist nach meiner Einschätzung persönlich und fachlich für die Erlangung der Facharztbezeichnung „Psychiatrie und Psychotherapie“ geeignet.“

Wegen der Einzelheiten dieses Zeugnisses wird auf die Anlage K17, Bl. 39ff d.A. bzw. Anlage K1, Bl. 11ff d.A. Bezug genommen.

(Wegen der besseren Lesbarkeit wird im vorliegenden Beschluss auf die Anlage K17, Bl. 39ff d.A. Bezug genommen, welche identisch ist mit der vom Arbeitsgericht in Bezug genommenen Anlage K1, Bl. 11ff d.A.)

Weitere an Frau Prof. Dr. C weitergeleitete Änderungswünsche des Klägers hat diese nicht umgesetzt und dem Kläger über die Beklagte mitteilen lassen, dass sie die Anlage gem. § 9 WBO abzeichnen werde, sofern der Kläger die Nachweise für die dort bezeichneten Leistungen durch Vorlage der entsprechenden Teilnahmebescheinigungen erbringe.

Ein separates Arbeitszeugnis hat die Beklagte nicht erteilt.

Mit am 07. April 2022 beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangener Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Berichtigung eines Zeugnisses vom 31. Dezember 2017.

Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz angekündigten Klageantrags und der geäußerten Rechtsansichten wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 21. Oktober 2022 und die Klageschrift vom 07. April 2021 Bezug genommen.

Im Gütetermin hat das Arbeitsgericht Zweifel an der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen geäußert und den Parteien mit Beschluss vom 25. Juli 2022 insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt und mitgeteilt, dass beabsichtigt sei in der Kammerbesetzung vom 21. Oktober 2022 über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden.

Mit Beschluss vom 21. Oktober 2022 hat das Arbeitsgericht Wiesbaden entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei und den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Wiesbaden verwiesen. Es hat dies damit begründet, dass sich die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen mangels Rechtsstreitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 e ArbGG ergebe, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele. Grundsätzlich ergebe sich der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 e ArbGG für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten auf Erteilung oder Berichtigung eines Arbeitszeugnisses. Dagegen seien die Gerichte für Arbeitssachen für originär öffentlich-rechtliche Ansprüche nicht zuständig. Bei dem Weiterbildungsverhältnis zwischen dem zur Weiterbildung ermächtigten und dem in Weiterbildung befindlichen Arzt handele es sich um eine vertragliche Beziehung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, weil für deren Rechtsbeziehungen die Satzungen (WBO) der Landesärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts maßgeblich seien. Dabei handele der gemäß der WBO zur Weiterbildung berechtigte Arzt als ermächtigtes Kammermitglied zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben als Beliehener. Daneben bestehe zwischen dem Arzt in Weiterbildung und dem ihn tatsächlich beschäftigenden Arbeitgeber eine bürgerlich-rechtliche Rechtsbeziehung. In beiden parallel bestehenden Rechtsverhältnissen ergebe sich ein Zeugnisanspruch, der unterschiedlichen Zwecken diene. Dem Arbeitnehmer stehe unter den Voraussetzungen des § 109 GewO ein Zeugnisanspruch gegen den Arbeitgeber zu, dessen Zweck sei es, die ausgeübte Tätigkeit hinsichtlich Art und Dauer sowie ggf. Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers zu bewerten, um dessen Chancen bei der Bewerbung um eine neue Arbeitsstelle zu optimieren. Dagegen diene das Weiterbildungszeugnis vorrangig dazu, die absolvierte Weiterbildung nachzuweisen, um zur Facharztprüfung zugelassen zu werden. Dieses dürfe auch ausschließlich vom weiterbildungsbefugten Arzt als dem von der Landesärztekammer mit hoheitlichen Befugnissen Beliehenen, erteilt werden. Im Interesse der Rechtsklarheit, müssten beide Zeugnisse in unterschiedlichen Urkunden erteilt werden.

Da der Kläger von der Beklagten die Korrektur eines Zeugnisses nach § 9 WBO begehre, sei der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet. Einerseits mache der Kläger bereits mit seiner Antragsformulierung deutlich, dass es ihm um die Korrektur eines Zeugnisses nach § 9 WBO gehe. Auch die Überschrift des Zeugnisses als „ZEUGNIS zur Erlangung der Gebietsbezeichnung Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“ weise darauf hin, dass es sich nicht um ein Arbeitszeugnis gem. § 109 GewO handele. Auch sei das Zeugnis nicht von einem Vertreter der Beklagten, sondern von der Chefärztin der Klinik unterschrieben, die allein weiterbildungsbefugt sei. Die geforderte Beifügung der Anlagen spreche für ein Zeugnis nach § 9 WBO ebenso wie die geforderte Formulierung, dass der Kläger sich nach Einschätzung der Chefärztin „persönlich und fachlich für die Erlangung der Facharztbezeichnung „Psychiatrie und Psychotherapie“ uneingeschränkt eigne“, wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 184ff d. A. Bezug genommen.

Dieser Beschluss ist dem (damaligen) Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich seines elektronischen Empfangsbekenntnisses am 23. November 2022 (Bl. 189 d. A.) zugegangen. Am 07. Dezember 2022 hat er sofortige Beschwerde eingelegt, dieser hat das Arbeitsgericht in der mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 angekündigten Kammerbesetzung vom 20. Januar 2023 nicht abgeholfen und den Rechtsstreit dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt, wegen der Einzelheiten des Nichtabhilfebeschlusses wird auf Bl. 274ff d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 31. Dezember 2022 hat der Kläger Frau Prof. Dr. med. C den Streit verkündet, der entsprechende Schriftsatz (Bl. 123ff d.A.) ist der Streitverkündeten ausweislich der Postzustellungsurkunde am 01. Februar 2023 persönlich übergeben worden (Bl. 271 d.A.).

Im Beschwerdeverfahren vertritt der Kläger weiterhin die Rechtsauffassung, dass es sich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 e ArbGG um eine Streitigkeit aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis handele. Die Integration des Arbeitszeugnisses in das Weiterbildungszeugnis sei gängige Praxis, was das Arbeitsgericht nicht gewürdigt habe. Die Beklagte habe eine kombiniertes Arbeits- und Weiterbildungszeugnis erteilt, dessen Korrektur der Kläger begehre. Das erstellte Zeugnis erfülle alle Kriterien eines Arbeitszeugnisses und weitgehend die eines Weiterbildungszeugnisses. Bei einem derart kombinierten Zeugnis könne dem Arbeitnehmer für die Korrekturen „für den Teil des Weiterbildungszeugnisses“ nicht der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten verwehrt werden. Der Kläger verlange auch Korrekturen im rein arbeitsrechtlichen Teil, dies werde von den Verwaltungsgerichten nicht geprüft.

Willkürlich stelle das Gericht die Behauptung auf, dass es dem Kläger nicht um die Beurteilung seiner Arbeitsleitung gehe, sondern um ein „reines Weiterbildungszeugnis“. Es gebe zahlreiche Verfahren vor Arbeitsgerichten, die ein Weiterbildungszeugnis und ein kombiniertes Arbeits- und Weiterbildungszeugnis zum Gegenstand hätten, dazu bezieht er sich auf zwei Presseartikel die jeweils durch Vergleich geendet haben sollen.

Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ergebe sich schon deshalb nicht, weil die Beklagte die Arbeitgeberin des Klägers sei, eine solche Klage würde zwangsläufig abgewiesen. Auch wenn die Beklagte nicht legitimiert sei, ein Weiterbildungszeugnis auszustellen, so sei sie doch verpflichtet, den Chefarzt und Weiterbildungsermächtigten zu verpflichten, ein Weiterbildungszeugnis, auch in der Form des kombinierten Arbeits- und Weiterbildungszeugnisses auszustellen. Es erscheine abwegig, dass das Gericht bei einer Zeugnisklage auf Zeugnisänderung derart in das Berufs-, Arbeits- und Vertragsverhältnis eingreife. Das Arbeitsgericht befasse sich auch nicht inhaltlich mit dem klägerischen Anspruch. Bei einer Verweisung an das Verwaltungsgericht werde der Kläger inhaltlich rechtlos gestellt. Zuletzt hält der Kläger den Schriftsatz der Beklagten wegen Missachtung des Anwaltszwangs für unbeachtlich.

Auf Hinweise des Beschwerdegerichts mit Beschlüssen vom 06. Februar 2023 und vom 28. März 2023 hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 02. März 2023 und 19. April 2023 die angekündigten Anträge klargestellt, wegen der Einzelheiten seines zuletzt formulierten Berichtigungsantrages wird auf den Schriftsatz vom 02. März 2023, Bl. 289f d.A. Bezug genommen. Auch hat er klargestellt, dass es bei dem Verweis im Zeugnis auf die Weiterbildungsanlagen gemäß § 9 WBO bleiben soll.

Im Beschwerdeverfahren hat sich die Beklagte dahin geäußert, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Zeugnis um ein Weiterbildungszeugnis handele. Wie vom Kläger selbst eingeräumt, sei die Beklagte weder für die Erteilung noch für die Änderung des Weiterbildungszeugnisses die richtige Anspruchsgegnerin.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 4 GVG, § 78 ArbGG statthaft und auch sonst gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden. Über sie konnte von der Vorsitzenden des Beschwerdegerichts allein und ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 78 Satz 3 ArbGG.

2. Die sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig ist. Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist insbesondere nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 e ArbGG gegeben, weil es sich bei der Streitigkeit zwischen den Parteien nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, sondern um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gemäß § 40 Abs. 1 VwGO handelt, so dass der Rechtsstreit an das im Rechtsstreit zuständige Verwaltungsgericht Wiesbaden zu verweisen ist, §§ 40 Abs. 1, 52 Nr. 5 VwGO.

a) Zutreffend geht das Arbeitsgericht bei der Beurteilung, ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, auf Basis der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der Natur des Rechtsverhältnisses aus, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 -, BGHZ 97, 312). Der Charakter des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel des Rechtsschutzantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts. Entsprechend ist für die Rechtswegfrage maßgeblich, ob die gerichtliche Entscheidung über den Klageanspruch, d.h. über den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch, von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts oder des bürgerlichem Rechts geprägt ist (BAG 04. September 2018 -9 AZB 10/18- Rn. 15, juris, mwN.). Dagegen ist nicht entscheidend, ob die klagende Partei sich auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (BAG 04. September 2018 -9 AZB 10/18- Rn. 15, juris, mwN.). Öffentlich-rechtlich ist das Rechtsverhältnis, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet (BAG 04. September 2018 -9 AZB 10/18- Rn. 17, juris, mwN.). Öffentlich-rechtlicher Natur sind Rechtsnormen, die einen öffentlichen Verwaltungsträger als solchen berechtigen und verpflichten, ihn also zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen (so ausdrücklich BAG 21. Juli 2021 -9 AZR 19/21- Rn. 12; BAG 04. September 2018 -9 AZB 10/18- Rn. 17, juris, jeweils mwN.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Zeugnisberichtigungsanspruch eines Arztes in Weiterbildung weder von vorherein öffentlich-rechtlicher noch bürgerlich-rechtlicher Natur. Auch hierauf hat bereits das Arbeitsgericht hingewiesen.

aa) Zutreffend geht das Arbeitsgericht unter Berufung auf die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 18. August 2011 -8 LA 101/11- davon aus, dass es sich bei dem Weiterbildungsverhältnis zwischen dem zur Weiterbildung ermächtigten Arzt und dem in Weiterbildung befindlichen Arzt um eine vertragliche Beziehung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts handelt. Neben diesem Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts besteht zwischen dem Arzt (in Weiterbildung) und dem ihn tatsächlich beschäftigenden Arbeitgeber eine bürgerlich-rechtliche Vertragsbeziehung in Form eines Arbeitsverhältnisses.

Aus beiden Rechtsverhältnissen steht dem Arzt grundsätzlich ein Zeugnis zu und ggfl. ein Anspruch auf Berichtigung gegen den Ausstellenden. Dem Arbeitnehmer steht aus § 109 GewO ein Zeugnisanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu und dem Arzt in Weiterbildung steht aus dem Weiterbildungsverhältnis gemäß § 9 WBO ein Zeugnis über die Weiterbildungszeit zu, wobei dieses vom weiterbildungsbefugten Arzt zu erteilen ist.

Das Arbeitszeugnis gemäß § 109 GewO und das Zeugnis gemäß § 9 WBO unterscheiden sich in maßgeblichen Punkten.

Wegen der weiteren diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts wird zur Vermeidung weiterer reiner Wiederholungen entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG auf den angegriffenen Beschluss, dort II. 1. b) bb) –dd) verwiesen.

bb) Es kann dahinstehen, ob –wie das Arbeitsgericht ausführt- aus Gründen der Rechtsklarheit das Arbeitszeugnis gemäß § 109 GewO und das Zeugnis gemäß § 9 WBO in zwei getrennten selbstständigen Zeugnissen erteilt werden muss, weil der Kläger vorliegend lediglich die Korrektur des Zeugnisses gemäß § 9 WBO begehrt und dafür der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist, siehe dazu nachfolgende Ausführungen.

cc) Unter Beachtung obiger Ausführungen ergibt sich, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren die Berichtigung eines Zeugnisses gemäß § 9 WBO (im Folgenden: Weiterbildungszeugnis) begehrt. Für diesen Anspruch ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet (VG Göttingen 13. April 2011 -1 A 265/10, Rn. 17f, juris; LAG München 17. April 2007 -6 Ta 127/06- juris; LAG Rheinland-Pfalz 25. Oktober 2007 -11 Ta 189/07-Rn. 7, juris; ebenso: OVG Lüneburg 18. August 2011 -8 LA 101/11- juris). Die gerichtliche Entscheidung über den Klageanspruch d.h. über den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch, ist von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägt.

Zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht ausgeführt, dass es dem Kläger nach seinem geltend gemachten Klageanspruch um die Erteilung eines Weiterbildungszeugnisses geht. Grundlage der Erteilung eines Weiterbildungszeugnisses ist die von der Landesärztekammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts erlassene Satzung (Weiterbildungsordnungen). Aus ihr ergeben sich Regelungen zum Berufsrecht. Im Übrigen verleiht die Landesärztekammer den zur Weiterbildung berechtigten Ärzten, unter den Voraussetzungen des § 5 WBO, die Befugnis zur Weiterbildung nach der WBO. Dabei agiert das zur Weiterbildung ermächtigte ärztliche Kammermitglied im Rahmen des Weiterbildungsverhältnisses zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben als Beliehener (vgl. z.B.VG Göttingen 09. Dezember 2015 -1 A 284/15- Rn. 4; OVG Lüneburg 18. August 2011 -8 LA 101/11- Rn. 10, jeweils juris und mwN.).

Dass es dem Kläger um die Berichtigung eines Weiterbildungszeugnisses und nicht eines Arbeitszeugnisses geht, ergibt sich bereits aus dem im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 02. März 2023 von ihm klargestellten Klageantrag und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts.

Nach ausdrücklicher Nachfrage des Beschwerdegerichts zur konkreten Antragsformulierung und ob der Passus im Antrag,

„das dem Kläger erteilte kombinierte Arbeits- /Weiterbildungszeugnis (Anlage K17) abzuändern und unter dem Ausstellungsdatum 31.12.2017 ein kombiniertes Arbeits- /Weiterbildungszeugnis unter Beifügung der Weiterbildungsanlagen gemäß § 9 der WBO für Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 01.11.2015 entsprechend der Anlage K2, unterschrieben von Frau Prof. Dr. med. C“ ersetzt werden soll durch „dem Kläger Zug um Zug gegen Herausgabe des Zeugnisses vom 31.12.2017 ein neues Zeugnis mit folgendem Wortlaut zu erteilen:“

und der Passus:

„Zu den im Detail abgeleisteten, vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalten wird auf die Anlage zum Zeugnis in Form der Weiterbildungsanlagen gemäß § 9 der WBO für Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 01.11.2005 verwiesen“,

ersatzlos zu streichen sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. April 2023 klargestellt, dass es bei dem von ihm angekündigten Antrag verbleibt.

Bereits aus der ausdrücklichen Antragsformulierung und gerade aus dem Passus „das dem Kläger erteilte kombinierte Arbeits- /Weiterbildungszeugnis (Anlage K17) abzuändern und unter dem Ausstellungsdatum 31.12.2017 ein kombiniertes Arbeits- /Weiterbildungszeugnis unter Beifügung der Weiterbildungsanlagen gemäß § 9 der WBO für Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 01.11.2015 entsprechend der Anlage K2, unterschrieben von Frau Prof. Dr. med. C“ ergibt sich, dass es dem Kläger primär um die Berichtigung des Weiterbildungszeugnisses und gerade nicht um die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses geht. Dies wird dadurch bestätigt, dass er auch weiterhin im Zeugnis die Beifügung der Weiterbildungsanlagen gemäß § 9 der WBO verlangt. Diese sind essentieller Bestandteil eines Weiterbildungszeugnisses nach der WBO. Gegen die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses spricht auch, dass der Kläger die Überschrift „Zeugnis zur Erlangung der Gebietsbezeichnung Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“ begehrt. Damit nimmt er Bezug auf die WBO und die dort geregelten Voraussetzungen zur Erlangung einer Fachgebietsbezeichnung. Auch dieser Passus findet keine Grundlage im bürgerlichen Recht, sondern ausschließlich in den Satzungen der Landesärztekammer. Wie bereits ausgeführt, ist die Erteilung /Berichtigung eines Weiterbildungszeugnisses von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts und nicht des bürgerlichem Rechts geprägt.

Auch soweit der Kläger bestimmte bessere Bewertungen im Zeugnistext fordert, führt dies nicht dazu, dass die begehrte Berichtigung des Weiterbildungszeugnisses von den Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts geprägt wird. Im Einzelnen gilt:

- Bei den vom Kläger gewünschten Formulierungen „Herr Dr. med. D hat sehr gute fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten aufzuweisen und ist als ein klinisch erfahrender Arzt zu beschreiben“ und „Herr Dr. med. D ist nach meiner Einschätzung persönlich und fachlich uneingeschränkt für die Erlangung der Facharztbezeichnung „Psychiatrie und Psychotherapie“ geeignet“ handelt es sich auch nicht um typische Formulierungen eines Arbeitszeugnisses. Ob ein Arzt als klinisch erfahren zu bezeichnen ist und ob er persönlich und fachlich (uneingeschränkt) für die Erlangung einer bestimmten Facharztbezeichnung geeignet ist, beurteilt der weiterbildungsbefugte Arzt auf Basis der nach der WBO aufgestellten Voraussetzungen.

- Auch die vom Kläger gewünschte Formulierung „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Patienten war einwandfrei. Er hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“, bei der es sich um eine Verhaltensbeurteilung handelt, die grundsätzlich nicht Gegenstand eines Weiterbildungszeugnisses ist, ändert nichts daran, dass die Erteilung /Berichtigung eines Weiterbildungszeugnisses von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts und nicht des bürgerlichem Rechts geprägt ist. Allein das Begehren einer einzelnen Beurteilung, hier einer Verhaltensbeurteilung, die typischerweise in qualifizierten Arbeitszeugnissen zu finden ist, gibt dem Begehren des Klägers nicht sein Gepräge.

Aus der Begründung seines geltend gemachten Berichtigungsanspruchs ergibt sich gleichermaßen kein Anhalt dafür, dass die gerichtliche Entscheidung über den Klageanspruch d.h. über den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch, nicht von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts, sondern des bürgerlichen Rechts geprägt wäre.

Soweit der Kläger im Beschwerdeverfahren meint, die Beklagte habe eine kombiniertes Arbeits- und Weiterbildungszeugnis erteilt, dessen Korrektur der Kläger begehre und dass das erstellte Zeugnis alle Kriterien eines Arbeitszeugnisses erfülle und weitgehend die eines Weiterbildungszeugnisses, so dass dem Arbeitnehmer bei einem derart kombinierten Zeugnis für die Korrekturen „für den Teil des Weiterbildungszeugnisses“ nicht der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten verwehrt werden könne, überzeugt dies nicht. Wie bereits ausgeführt, begehrt der Kläger unter Berücksichtigung des von ihm bestimmten Streitgegenstandes gerade nicht die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses, sondern eines Weiterbildungszeugnisses. Im Übrigen hat die Beklagte dem Kläger bislang unstreitig weder ein Arbeitszeugnis noch ein Weiterbildungszeugnis erteilt. Das Weiterbildungszeugnis hat die weiterbildungsbefugte Ärztin erteilt.

Entgegen der vom Kläger geäußerten Rechtsansicht stellt das Arbeitsgericht auch nicht willkürlich die Behauptung auf, dass es dem Kläger nicht um die Beurteilung seiner Arbeitsleitung gehe, sondern um ein „reines Weiterbildungszeugnis“. Vielmehr hat das Arbeitsgericht seine Beurteilung, dass der Kläger die Berichtigung eines Weiterbildungszeugnisses begehre, umfassend begründet.

Wenn der Kläger behauptet, es gebe zahlreiche Verfahren vor Arbeitsgerichten, die ein Weiterbildungszeugnis und ein kombiniertes Arbeits- und Weiterbildungszeugnis zum Gegenstand hätten und sich dazu auf zwei Presseartikel bezieht, die jeweils durch Vergleich geendet haben sollen, vermag dies eine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht zu begründen. Der Kläger hat bereits keine offizielle Fundstelle mitgeteilt, aus der sich der den Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt ergibt. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass die Parteien in den dortigen Verfahren auch einen Vergleich vor einem im Rechtsweg unzuständigen Gericht hätten schließen können.

dd) Es kann dahinstehen, dass der Kläger den Anspruch auf Berichtigung des Weiterbildungszeugnisses gegen die Beklagte als seine ehemalige Arbeitgeberin und nicht ausschließlich gegen die weiterbildungsbefugte Ärztin geltend gemacht hat, auch wenn ausschließlich diese zur Erteilung und Berichtigung des Weiterbildungszeugnisses befugt ist. Dies allein kann die ausschließliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte weder verhindern noch für das Verlangen auf Erteilung eines Weiterbildungszeugnisses den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnen. Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass das Verwaltungsgericht in eigener Zuständigkeit entscheidet, ob die Beklagte passivlegitimiert ist oder nicht (idS. auch VG Gießen 05. Dezember 2005 -10 E 1778/05- juris).

ee) Das Argument des Klägers, der Schriftsatz der Beklagten sei wegen Missachtung des Anwaltszwangs unbeachtlich, verfängt nicht.

Insoweit übersieht der Kläger, dass eine Ausnahme vom Anwaltszwang bei Prozesshandlungen greift, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG. Diese Vorschrift greift im Beschwerdeverfahren, entsprechend § 569 Abs. 3 ZPO iVm. § 78 ArbGG.

3. Vorliegend ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, § 40 Abs. 1 VwGO.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung.

 

Hessisches LAG,  Beschluss vom 28.07.2023, 3 Ta 29/23

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