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Bundesgerichtshof zu überspannten Anforderungen an Darlegung des Mängelbeseitigungsaufwands
Architektenrecht und Baurecht

(Kiel)  Der Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das rechtliche Gehör nach Art. 103 I GG durch überspannte Substantiierungsanforderungen an den Parteivortrag zu aufgewandte Mangelbeseitigungskosten verletzt sein kann.

Darauf verweist die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht  Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 10.08.2022 – VII ZR 243/19 (OLG München).

  • Sachverhalt:

Die Klägerin, eine Bauunternehmerin, begehrt von der beklagten Architektin auf Gesamtschuldnerausgleich für eine von ihr geleistete Mangelbeseitigung in Anspruch. Die Streithelferin der Beklagten beauftragte die Beklagte mit der Erbringung von Architektenleistungen in den Leistungsphasen 5-8 gem. § 34 HOAI. Die Beklagte erstellte die Ausführungsplanung u.a. für die Dächer über den Balkonen des Objekts sowie das Leistungsverzeichnis. Die Klägerin erstellte auf dieser Grundlage das Angebot vom 20.01.2014 und meldete zugleich Bedenken hinsichtlich der Planung an. Sie wurde sodann von der Streithelferin gemäß ihrem Angebot beauftragt. Im Main 2014 ließ die Klägerin einen planerischen Sondervorschlag erstellen. Die Beklagte prüfte den Sondervorschlag und gab ihn frei.

Die aufgrund der Sonderplanung erstellten Balkondächer waren mangelhaft. Es waren Undichtigkeiten der Balkonüberdachung vorhanden, die zu Wassereintritten führten. Der Privatgutachter der Streithelferin stellte fest, dass die Dacheindeckung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprach. In der Folgezeit erstellte die Klägerin ein Nachbesserungsmuster für die Sanierung, welches die Streithelferin zunächst ablehnte. Eine neue Musterfläche wurde letztlich nach der Stellungnahme des Privatgutachters von der Streithelferin akzeptiert.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von € 211.191,55 (70 % der Gesamtsanierungskosten) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht im Hinblick der über einen Betrag von € 301.702,22 hinausgehenden Kosten.

  • Instanzenzug:

Das erstinstanzlich erkennende LG München I hat am 28.06.2018, Az.: 11 = 19330/17, BeckRS 2018, 50922) die Klage abgewiesen. Auch der Berufung vor dem OLG München ist am 01.10.2019, Az.: 9 U 2699/18 Bau, BeckRS 2019, 62972) kein Erfolg beschieden gewesen.

Die Klägerin wandte sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht. Sie begehrt die Zulassung der Revision, um ihre Anträge vollumfänglich weiter verfolgen zu können. Die Nichtzulassungsbeschwerde führte gem. § 544 IX ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht hatte die Auffassung vertreten, dass die Berufung unbegründet sei, weil sie zur Höhe des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich nicht schlüssig vorgetragen habe. Der Vortrag sei in wesentlichen Teilen unsubstantiiert.

  • Rechtslage:

Der BGH stellte nunmehr fest, dass die rechtliche Einschätzung des Berufungsgerichts auf einer offenkundigen Überspannung der Substantiierungsanforderungen beruht. Dadurch hat das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen und Beweisantritte der Klägerin, die insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Vernehmung des sachverständigen Zeugen Z beantragt hat, entgegen Art. 103 I GG unberücksichtigt lassen.

Art. 103 I GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Parteien haben (std. Rspr., vgl. z.B. BGH NZBau 2021, 178 = BauR 2021, 593 Rn. 13; BeckRS 2017, 138620 = BauR 2018, 669 Rn. 9).

Ein Verstoß gegen Art. 103 I GG liegt dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (std. Rspr., s.o.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein Sachvortrag bereits dann schlüssig, wenn der Anspruchsteller Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen. Erfüllt der Parteivortrag diese Anforderungen, so kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden, sondern es ist in die Beweisaufnahme einzutreten.

Da das angefochtene Urteil auf den Gehörsverletzungen beruhte ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es die Darlegung zur Höhe des Ausgleichsanspruchs für ausreichten substanziiert erachtet und – wie erforderlich – die angebotenen Beweise erhoben hätte.

Die Anforderungen an die Substantiierung eines Sachvortrages sind in der anwaltlichen Praxis häufige Fragestellungen, mit denen sich der forensisch tätige Anwalt auseinandersetzen muss. Gerade im baurechtlichen Verfahren, die komplexe Vorgänge umfassen, ist ein entsprechend konkreter und detaillierter Sachvortrag für die erfolgreiche Durchsetzung von rechtlichen Ansprüchen unabdingbar. Um so hilfreicher ist es, die einschlägige Rechtsprechung im Detail zu kennen.

 

VBMI, Kiel, den 17.01.2023

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