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Kündigungen des Cockpit-Personals von Air Berlin wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam
Arbeitsrecht

BAG – 6 AZR 146/19

Kündigungen des Cockpit-Personals von Air Berlin wegen fehlerhafter
Massenentlassungsanzeige unwirksam

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2020, 6 AZR 146/19

Tenor

  1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. Januar 2019 – 3 Sa 338/18 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.
  2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. April 2018 – 4 Ca 6911/17 – im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als es die Kündigungsschutzklage abgewiesen hat. Es wird insgesamt klarstellend wie folgt neu gefasst:
    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG vom 28. November 2017 nicht aufgelöst worden ist.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten der ersten und zweiten Instanz zu 1/10, der Beklagte zu 9/10.
    Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

Pressemitteilung Nr. 7/20

Nach § 17 Abs. 1 KSchG muss der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit eine sog. Massenentlassungsanzeige erstatten, bevor er in einem Betrieb eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Damit hat der deutsche Gesetzgeber die unionsrechtliche Verpflichtung aus Art. 3 der Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie – MERL) umgesetzt.

Bezüglich der Kündigungen des Cockpit-Personals der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin bestand eine Anzeigepflicht. Bei der Anzeige ist jedoch der für § 17 KSchG maßgebliche Betriebsbegriff der MERL verkannt und deswegen die Anzeige nicht für den richtigen Betrieb erstattet worden. Das hatte zur Folge, dass die Anzeige bei einer örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit erfolgte und nicht die erforderlichen Angaben enthielt. Dies bewirkt die Unwirksamkeit der betroffenen Kündigungen.

Air Berlin unterhielt an mehreren Flughäfen sog. Stationen. Diesen war Personal für die Bereiche Boden, Kabine und Cockpit zugeordnet. Der Kläger war bei Air Berlin als Pilot mit Einsatzort Düsseldorf beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis wurde nach der am 1. November 2017 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung wie das aller anderen Piloten wegen Stilllegung des Flugbetriebs Ende November 2017 gekündigt. Air Berlin erstattete die Massenentlassungsanzeige für den angenommenen „Betrieb Cockpit“ und damit bezogen auf das bundesweit beschäftigte Cockpit-Personal. Dieses Betriebsverständnis beruhte auf den bei

Air Berlin tarifvertraglich getrennt organisierten Vertretungen für das Boden-, Kabinen- und Cockpit-Personal (vgl. § 117 Abs. 2 BetrVG). Die Anzeige erfolgte wegen der zentralen Steuerung des Flugbetriebs bei der für den Sitz der Air Berlin zuständigen Agentur für Arbeit Berlin-Nord. Der Kläger hat die Stilllegungsentscheidung bestritten. Der Flugbetrieb werde durch andere Fluggesellschaften (teilweise) fortgeführt. Die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft.

Die Vorinstanzen haben seine Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Nach dem unionsrechtlich determinierten Betriebsbegriff des § 17 Abs. 1 KSchG handelte es sich bei den Stationen der Air Berlin um Betriebe im Sinne dieser Norm. Folglich hätte die Massenentlassungsanzeige für die der Station Düsseldorf zugeordneten Piloten bei der dafür zuständigen Agentur für Arbeit in Düsseldorf erfolgen müssen. Dort traten bei typisierender Betrachtung die Auswirkungen der Massenentlassung auf, denen durch eine frühzeitige Einschaltung der zuständigen Agentur für Arbeit entgegengetreten werden soll. Die Anzeige hätte sich zudem nicht auf Angaben zum Cockpit-Personal beschränken dürfen. Die nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG zwingend erforderlichen Angaben hätten vielmehr auch das der Station zugeordnete Boden- und Kabinen-Personal erfassen müssen. Für den Betriebsbegriff der MERL ist ohne Belang, dass diese Beschäftigtengruppen kollektivrechtlich in andere Vertretungsstrukturen eingebettet waren.

Der Senat hatte aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung nach § 17 Abs. 1 KSchG, § 134 BGB nicht darüber zu entscheiden, ob eines Betriebes(teil-)übergang auf eine andere Fluggesellschaft stattgefunden hat.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 8. Januar 2019 – 3 Sa 338/18 –

Der Senat hat am 13. Februar 2020 auch über sieben gleichgelagerte Verfahren entschieden.

https://www.bag-urteil.com/13-02-2020-6-azr-146-19/

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