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Oberlandesgericht Hamm: Operation "relativ" indiziert - Patient muss besonders aufgeklärt werden
Arztrecht und Medizinrecht

(Kiel) Besteht nur eine relative Indikation zur Vornahme eines operativen Eingriffs, muss ein Patient dezidiert mündlich über die echte Alternative einer konservativen Behandlung aufgeklärt werden.

Darauf verweist der Stuttgarter Rechtsanwalt Alexander Rilling von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf die Mitteilung des OLG Hamm vom 23.01.2018 zu seinem Urteil vom 15.12.2017 (Az. 26 U 3/14).

Der im Jahre 1951 geborene Kläger aus Warstein litt seit Ende der 1980er Jahre an Rückenschmerzen. Er stellte sich im Juli 2010 wegen therapieresistenter Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich in einem Krankenhaus im Kreis Soest vor, indem der Beklagte als Belegarzt tätig war. Nach einigen Tagen stationären Aufenthalts mit einer konservativen Behandlung führte der Beklagte nach einem erstellten CT ein Aufklärungsgespräch mit dem Kläger, indem er zu einer operativen Versorgung des verengten Wirbelkanals der Lendenwirbelsäule riet. Im August 2010 führte der Beklagte den operativen Eingriff mit einer Discektomie, einer Dekompression, einer Neurolyse sowie einer Spondylodese aus. Nach der Operation stellten sich neurologische Ausfälle in beiden Beinen des Klägers ein. Er war nicht mehr in der Lage, das gestreckte Bein anzuheben. Zudem zeigten sich Lähmungen beim Heben und Senken der Füße, eine Blasenentleerungsstörung, und eine Störung der Sexualfunktion. Zwei Revisionsoperationen, bei denen jeweils ein epidurales Hämatom entfernt wurde, bewirken keine nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers.

Der Kläger leidet dauerhaft an einer chronischen inkompletten Kaudalähmung mit Gefühlsstörungen im Bereich der Beine und Füße sowie Schmerzen im Operationsbereich. Er kann nur kurze Strecken mit Gehilfen zurücklegen und ist im Übrigen auf einen Rollstuhl angewiesen. Zudem muss er mit einer dauerhaften Störung der Sexualfunktion und einer sich aufgrund der eingeschränkten Mobilität und chronischen Beschwerden entwickelnden depressiven Störung leben. Eine nach der Operation aufgetretene Blasenentleerungsstörung hat sich zwischenzeitlich zurückgebildet.

Mit der Behauptung, der operative Eingriff des Beklagten sei behandlungs- und aufklärungsfehlerhaft vorgenommen worden, hat der Kläger vom Beklagten Schadensersatz verlangt, unter anderem materiellen Schadensersatz in Höhe von ca. 34.500 Euro und ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 200.000 Euro.

Sein Klagebegehren hatte in zweiter Instanz dem Grunde nach und - teilweise - der Höhe nach Erfolg. Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Kläger nach ergänzender Begutachtung durch medizinische Sachverständige den verlangten materiellen Schadensersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 Euro zugesprochen.

Der Beklagte hafte, so der Senat, weil er den Kläger vor dem ersten Eingriff im August 2010 unzureichend aufgeklärt habe. Die insoweit erteilte Einwilligung des Klägers sei insoweit nicht wirksam. Zudem sei - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch nicht von einer hypothetischen Einwilligung des Klägers auszugehen.

Für den vorgenommenen operativen Eingriff habe mangels neurologischer Ausfallerscheinungen beim Kläger nur eine relative Indikation bestanden. Alternativ habe die konservative Behandlung als echte Behandlungsalternative fortgesetzt werden können. Hierüber habe der Beklagte den Kläger aufklären müssen.

Nach der Rechtsprechung sei die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Gebe es aber - wie im vorliegenden Fall - mehrere Behandlungsmöglichkeiten, unter denen der Patient eine echte Wahlmöglichkeit habe, müsse ihm durch eine entsprechend vollständige Aufklärung die Entscheidung überlassen werden, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen solle und auf welches Risiko er sich einlassen wolle. Je weniger dringlich sich der Eingriff - nach medizinischer Indikation und Heilungsaussicht - in zeitlicher und sachlicher Hinsicht darstelle, desto weitgehender seien Maß und Genauigkeitsgrad der Aufklärungspflicht. So sei bei einer nur relativ indizierten Operation regelmäßig auch eine Aufklärung über die Möglichkeit einer abwartenden Behandlung oder das Nichtstun geboten.

Im August 2010 sei beim Kläger die konservative Behandlung weiterhin eine echte Behandlungsalternative zum operativen Eingriff gewesen. Zudem sei der operative Eingriff mit allgemeinen und besonderen Risiken versehen gewesen, über die der Kläger ebenfalls habe aufgeklärt werden müssen. Dass der Beklagte den Kläger über diese Punkte hinreichend aufgeklärt habe, habe er im Prozess nicht nachweisen können.

Von einer hypothetischen Einwilligung des Klägers in die Operation könne man ebenfalls nicht ausgehen, weil der Kläger insoweit einen echten Entscheidungskonflikt zwischen den Behandlungsalternativen glaubhaft gemacht habe. Auch insoweit sei dem Beklagten nicht gelungen nachzuweisen, dass sich der Kläger für den operativen Eingriff entschieden hätte.

Infolge des nichtig gerechtfertigten operativen Eingriffs im August 2010 habe der Kläger eine chronische inkomplette Kaudalähmung mit erheblichen Einschränkungen seiner Mobilität, eine dauerhafte Störung seiner Sexualfunktion sowie eine sich hierdurch entwickelnde depressive Störung erlitten, die eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 75.000 Euro rechtfertigten. Auch den materiellen Schaden habe der Beklagte zu ersetzen.

Rilling riet, bei ähnlich gelagerten Fällen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verwies in diesem Zusammenhang u.a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de –

Presseerklärung DASV, 23.01.2018

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