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LAG Rheinland-Pfalz: Arbeitnehmer sind nicht immer zur Auskunft über möglichen Zwischenverdienst verpflichtet.
Arbeitsrecht

LAG Rheinland-Pfalz: Arbeitnehmer sind nicht immer zur Auskunft über möglichen Zwischenverdienst verpflichtet.

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10. Juli 2020, Az.: 8 Ca 1753/19, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

In der Zeit ab dem 01.01.2013 war die 1974 geborene Klägerin bei der Beklagten als Assistenzärztin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der Dienstvertrag vom 24.10.2013 (Bl. 13 ff. d. A.) zugrunde.

Die Klägerin brachte am 25.04.2016 eine Tochter zur Welt. Daraufhin nahm sie Elternzeit für zwei Jahre in Anspruch. Sie beantragte sodann eine Teilzeitbeschäftigung in der Elternzeit. Mit Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 12.10.2017, Az. 8 Ca 705/17 (Bl. 20 ff. d. A.) wurde die Beklagte erstens verurteilt, dem Antrag der Klägerin auf Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 25 Wochenstunden ab dem 25.07.2017 bis 24.10.2017 und auf 30 Wochenstunden ab dem 25.10.2017 bis zum 24.04.2018 zuzustimmen. Zweitens wurde die Beklagte verurteilt, die Arbeitszeit der Klägerin bis 24.10.2017 auf Montag bis Freitag, 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr (ohne Pause) und ab 25.10.2017 auf Montag bis Freitag, 8.00 Uhr bis 14.30 Uhr (mit Pause) pro Tag einzuteilen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 10.07.2018, Az. 6 Sa 521/17, zurückgewiesen.

In einem weiteren Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen, Az. 2 Ca 399/18, schlossen die Parteien einen Vergleich (Bl. 35 f. d. A.), in dem eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.04.2019 vereinbart wurde. Weiter verpflichtete sich die Beklagte in diesem Vergleich, das Arbeitsverhältnis rückwirkend für die Zeit vom 25.06.2017 bis zum 30.04.2019 ordnungsgemäß abzurechnen. Dabei sollten bis zum 30.04.2019 eintretende Tariferhöhungen weitergegeben werden.

Die Beklagte wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 24.10.2017 (Bl. 40 d. A.) und 09.10.2018 (Bl. 41 d. A.) sowie zuletzt mit Schreiben an ihren Rechtsvertreter vom 21.10.2019 (Bl. 49 d. A.) aufgefordert, den Zeitraum vom 25.04.2017 bis zum 24.04.2018 ordnungsgemäß abzurechnen.

Ihren Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 25.06.2017 bis zum 18.10.2017 sowie Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 19.10.2017 bis zum 29.11.2017 verfolgt die Klägerin mit ihrer am 02.12.2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 05.12.2019 zugestellten Klage weiter.

Im streitgegenständlichen Zeitraum bezog die Klägerin Arbeitslosengeld I in Höhe von 71,74 € täglich (vgl. Änderungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit A-Stadt vom 07.09.2017, Bl. 46 f. d. A.). Ab dem 19.10.2017 war sie arbeitsunfähig erkrankt, ab dem 30.11.2017 bezog sie Krankengeld (vgl. Schreiben der X. Krankenkasse vom 23.01.2018, Bl. 42 d. A.).

Die Klägerin hat vorgetragen,

die Beklagte habe den Zeitraum vom 25.04.2017 bis zum 24.04.2018 nicht ordnungsgemäß abgerechnet.

Sie habe Anspruch auf Zahlung in Höhe von 688,68 € brutto für die Zeit vom 25.06.2017 bis zum 30.06.2017 abzüglich 430,44 € netto, 3.443,40 € brutto für Juli 2017 abzüglich 2.152,20 € netto, 3.443,40 € brutto für August 2017 abzüglich 2.152,20 € netto, 3.512,27 € brutto für September 2017 abzüglich 2.152,20 € netto, 2.809,81 € brutto für die Zeit vom 01. bis 24.10.2017 abzüglich 2.152,20 € netto, 983,43 € brutto für die Zeit vom 25. bis 30.10.2017 sowie 4.074,23 € brutto für November 2017 abzüglich 2.080,46 €. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf Bl. 95 f. d. A. Bezug genommen.

Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitslosengeld I bezogen, sei also nicht krank gewesen, sondern habe dem Arbeitsmarkt zur Vermittlung zur Verfügung gestanden. Sie habe keine Verletzungen gehabt, die ihrer Arbeitsfähigkeit entgegengestanden hätten, insbesondere sei sie nicht am 23.05.2017 mit einer Knieorthese zum Gerichtstermin erschienen. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wären damit nicht automatisch Zweifel an ihrer Arbeitsfähigkeit gerechtfertigt. Dies würde auch von der Geschäftsleitung nicht so verstanden. So sei sie zum Beispiel mit Unterarmgips mit dem Hinweis des Chefarztes Dr. B. eingestellt worden, dass sie sich keine Sorgen machen solle. Denn es habe eine Kollegin vorher mit schwerer Ataxie bravourös Dienst geleistet; Psychiatrie sei hauptsächlich sprechend. Notfälle würden im Team behandelt.

Sie habe nicht böswillig anderweitigen Erwerb unterlassen. Sie habe der Arbeitsverwaltung als arbeitssuchend zur Verfügung gestanden. Der Arbeitslosengeldbezug habe ihren persönlichen Antrag vorausgesetzt. Sie war der Ansicht, nur wenn der Arbeitnehmer Arbeitsangebote ausschlage oder sie verhindere, sei der böswillig versäumte Erwerb als wirklich gemachter zu behandeln. Wolle der Arbeitgeber seine Risiken im Annahmeverzug mindern, so habe er die hierfür erforderlichen Handlungen selbst vorzunehmen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.955,22 € brutto abzüglich 11.119,70 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.12.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen,

die Klägerin habe den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 23.05.2017 im Verfahren mit dem Az. 8 Ca 705/17 mit einer Knieorthese wahrgenommen (Beweis: Zeugnis des Verwaltungsdirektors der Beklagten Herr L.), die in der Regel bei einem Kreuzbandriss, einem Bänderriss und/oder einer Ruptur der Achillessehne getragen werde. Mit einer dahingehenden Verletzung wäre die Klägerin aber sicherlich nicht in der Lage gewesen, ihre arbeitsvertraglichen Leistungen zu erbringen (Beweis: Sachverständigengutachten). Auch habe die Klägerin das ihr seitens der Beklagten am 27.10.2017 angebotene Prozessarbeitsverhältnis mit einer mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit "begonnen". Diese Arbeitsunfähigkeit habe dann schließlich in den von der Klägerin bereits benannten Krankengeldzeitraum ab dem 30.11.2017 geführt.

Zudem habe sie der Klägerin mit Schreiben vom 09.02.2017 ausdrücklich anheimgestellt, während ihrer Elternzeit eine Teilzeittätigkeit bei einem anderen Arbeitsgeber aufzunehmen. Es sei daher auch zu klären, inwieweit es die Klägerin böswillig unterlassen habe, anderweitigen Verdienst zu erzielen bzw. - falls die Klägerin eine alternative Teilzeitbeschäftigung im fraglichen Zeitraum verfolgt haben sollte - ob und in welcher Höhe diese sich den im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses erzielten Arbeitslohn auf das zu zahlende Arbeitsentgelt anspruchsmindernd anrechnen lassen müsse.

Die Beklagte hat erstinstanzlich zuletzt erklärt, dass der Klägerin nicht mehr der Vorwurf gemacht werde, sie habe böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen. Ihr wesentlicher Einwand sei § 297 BGB.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 10.07.2020 verurteilt, an die Klägerin 18.955,22 € brutto abzüglich 11.119,70 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2017 zu zahlen. Es hat - zusammengefasst - zur Begründung ausgeführt, die Zahlungsklage sei als Leistungsklage zulässig. Insbesondere sei sie hinreichend bestimmt im Sinn von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der gestellte Antrag werde dahingehend verstanden, dass aus dem begehrten Bruttobetrag der sich hieraus ergebende Nettobetrag zu bestimmen sei und dass von diesem Nettobetrag in einem zweiten Schritt das bezogene Netto-Arbeitslosengeld I in Abzug zu bringen sei. Der Antrag sei als Zahlungs- und nicht als Abrechnungsantrag zu stellen, da es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen selbstständig einklagbaren Anspruch auf eine Abrechnung gebe. Der Antrag sei auch nicht missverständlich. Es solle gerade nicht der Nettobetrag direkt vom Bruttobetrag abgezogen werden. Die Ausweisung des Brutto- und des Nettobetrags zeige vielmehr, dass es sich hier nicht um gleichartige Forderungen handele, die unmittelbar miteinander verrechnet werden könnten. Die Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe für den Zeitraum vom 25.06.2017 bis zum 18.10.2017 Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB. Für den Zeitraum vom 19.10.2017 bis 29.11.2017 stehe ihr Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 EFZG zu. Der Annahmeverzug der Beklagten sei nicht gemäß § 297 BGB ausgeschlossen. Ob die Klägerin im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen - 8 Ca 705/17 - am 23.05.2017 ein Knieorthese getragen habe, könne letztlich dahingestellt bleiben. Selbst wenn sie an diesem Tag eine solche getragen habe, so habe dies keine Aussagekraft für die Frage ihrer Leistungsfähigkeit für den Zeitraum ab dem 25.07.2017. Denn der hier streitgegenständliche Zeitraum habe erst über einen Monat nach der Güteverhandlung vom 23.05.2017 begonnen. Bis dahin könne eine zuvor vorhandene arbeitsunfähige Erkrankung bereits ausgeheilt gewesen sein. Wesentlich gegen die fehlende Leistungsfähigkeit der Kläger spreche zudem, dass sie ab dem 25.07.2017 Arbeitslosengeld I bezogen habe. Dieses wäre ihr nicht bewilligt worden, wenn sie in diesem Zeitraum nicht dem Arbeitsmarkt zur Vermittlung zur Verfügung gestanden hätte. Ab dem 19.10.2017 stehe der Klägerin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 EFZG zu. Die Forderung sei der Höhe nach in vollem Umfang begründet. Die Klägerin habe Anspruch auf Verzugszinsen gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB ab Beginn des Monats, der dem streitgegenständlichen Zeitraum nachfolge, also ab 01.12.2017. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 143 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 16.07.2020 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 14.08.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt. Die Beklagte hat die Berufung mit am 16.10.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag (innerhalb der durch Beschluss vom 17.08.2020 bis einschließlich 16.10.2020 verlängerten Berufungsbegründungsfrist) begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 02.03.2021, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 168 ff., 194 f. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend,

das erstinstanzliche Gericht habe die Voraussetzungen des Annahmeverzugs sowie des Zurückbehaltungsrechts nach § 242 BGB verkannt. Es sei unrichtigerweise davon ausgegangen, dass sie keine Indizien vorgetragen habe, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit der Klägerin im Annahmeverzugszeitraum habe geschlossen werden können. Tatsächlich habe die Klägerin den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 23.05.2017 mit einer Knieorthese wahrgenommen. Mit der von ihr vorgetragenen Verletzung und orthesenbedingten Einschränkung wäre die Klägerin auch im streitgegenständlichen Zeitraum sicherlich nicht in der Lage gewesen, ihre arbeitsvertraglichen Leistungen zu erbringen, da alle diese Verletzungen langwierig im Heilungsprozess seien. So betrage die Dauer der vollständigen Heilung eines Kreuzbandrisses durchschnittlich sechs Monate, die Dauer der vollständigen Genesung eines mit Orthese behandelten Achillessehnenabrisses betrage insgesamt durchschnittlich 12 Wochen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Indizwirkung der behaupteten Tatsachen zu erschüttern, was nicht geschehen sei.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vergleiche Urteil vom 27.05.2020 - 5 AZR 387/19) hätte das Arbeitsgericht die Klage als (zumindest zur Zeit) unbegründet abweisen müssen. So habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge habe (§ 242 BGB). Diesem Auskunftsverlangen sei die Klägerin bis heute nicht nachgekommen. Sie habe die Klägerin mit Schriftsatz vom 06.03.2020 aufgefordert darzulegen, inwieweit es die Klägerin böswillig unterlassen habe, anderweitigen Verdienst zu erzielen bzw. - falls die Klägerin eine alternative Teilzeitbeschäftigung im fraglichen Zeitraum verfolgt haben sollte - ob und in welcher Höhe diese sich den im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses erzielten Arbeitslohn auf das zu zahlende Arbeitsentgelt anspruchsmindernd anrechnen lassen müsse. Solange die Auskunft nicht erteilt werde, könne sie die Zahlung des Annahmeverzugslohn verweigern.

Proberechnungen ergäben, dass die Klägerin für die Monate Juni bis November 2017 einen maximalen Annahmeverzugslohnanspruch in Höhe von insgesamt 18.266,11 € brutto und (nach ordnungsgemäßer Abrechnung) einen Nettolohnanspruch in Höhe von 10.635,49 € habe. Die Klägerin habe für diesen Zeitraum Arbeitslosengeld in Höhe von 11.119,70 € erhalten, so dass etwaige Annahmeverzugsansprüche nach § 115 SGB X in dieser Höhe bereits auf die Agentur für Arbeit übergegangen seien. Letztlich bliebe damit eine Differenz in Höhe von 484,21 € zu Lasten der Klägerin. Die Klägerin wäre in Bezug auf die von ihr geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht mehr forderungsberechtigt und/oder aktivlegitimiert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.07.2020, Az. 8 Ca 1753/19, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 20.01.2021 sowie der Schriftsätze vom 27.04.2021 und 18.02.2022, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 183 ff., 206 f., 216 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend.

Ein Heilungsprozess für eine vollständige Genesung einer Verletzung sei nicht gleichzusetzen mit einer Arbeitsunfähigkeit. Außerdem habe sie im Gütetermin am 23.05.2017 keine Knieorthese getragen. Aus der Bescheinigung ihrer Krankenkasse für die Zeit seit dem 01.01.2017 ergebe sich, dass sie lediglich ab dem 19.10.2017 arbeitsunfähig gewesen sei.

Wenn die Beklagte behaupte, dass ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn wegen nicht bestehender Arbeitsfähigkeit ausgeschlossen sei, könne sie eine Fehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht damit begründen, sie - die aus ihrer Sicht arbeitsunfähige Klägerin - habe eine anderweitige Verwendung ihrer Dienste böswillig unterlassen. Des Weiteren sei der hier vorliegende Sachverhalt völlig anders gelagert als in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.05.2020. § 11 Nr. 2 KSchG sei im vorliegenden Fall schon nicht einschlägig. Auch gehe es im vorliegenden Fall - anders als im vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall - nicht um einen Zeitraum von fast drei Jahren, sondern lediglich um den Zeitraum vom 25.06.2017 bis Mitte Oktober 2017. Für diesen Zeitraum fehle es bereits an der vom Bundesarbeitsgericht geforderten Wahrscheinlichkeit, dass die Einwendung der Beklagten, sie habe anderweitige Arbeit böswillig unterlassen, begründet sei. Im Übrigen scheide bei Teilzeitbeschäftigten regelmäßig eine Anrechnung aus, wenn hinsichtlich Teilzeittätigkeit und Zwischenverdiensttätigkeit keine Kollision der Arbeitszeiten bestehe.

Die Probeabrechnung der Beklagten sei nicht nachzuvollziehen. Der Monat Juni 2017 werde überhaupt nicht abgerechnet. Im Übrigen schulde die Beklagte die eingeklagte und vom erstinstanzlichen Gericht zugesprochene Bruttovergütung. Der Anspruchsübergang nach § 115 SGB X führe nicht dazu, dass der Arbeitgeber von den Beiträgen entlastet werde, die er aus dem geschuldeten Bruttoentgelt zu entrichten habe.

Es habe sich nicht bestätigt, dass die Abrechnung der 18.955,22 € brutto weniger ergeben würde als die abzuziehenden Lohnersatzleistungen in Höhe von 11.119,70 € netto. Die Beklagte habe in Korrespondenz mit ihrem Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 03.09.2021 ausgeführt, dass im Ergebnis ein Nettoauszahlungsbetrag zu ihren Gunsten in Höhe von 63,81 € verbleibe. Somit sei der Tenor zu 1 des erstinstanzlichen Urteils vollstreckbar, ohne dass damit abschließend geklärt sei bzw. geklärt werden müsse, wie hoch der auszuzahlende Nettobetrag tatsächlich sei. Ihr sei daran gelegen, dass der Bruttobetrag abgerechnet werde und Lohnsteuer sowie Sozialversicherungsabgaben abgeführt würden.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 30.06.2021 und 27.07.2022 (Bl. 212 ff., 250 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein ist nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthaft. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 €. Ob dies der Fall ist, ist aus dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert zu ermitteln. Dieser bindet in allen Rechtsstreitigkeiten, in denen eine Partei in vollem Umfang unterliegt, im Regelfall das Landesarbeitsgericht (§ 61 Abs. 1 ArbGG). Eine Ausnahme davon gilt, wenn die Streitwertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Urteil offensichtlich unrichtig ist (BAG 27.03.2019 - 5 AZR 591/17 - Rn. 22 mwN.), also wenn sie in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist und außerdem der zutreffende Streitwert auf den ersten Blick die für den Beschwerdewert maßgebliche Grenze unterschreitet oder übersteigt. Dabei kommt es auf die Sicht des über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels entscheidenden Berufungsgerichts an (BAG 16.05.2007 - 2 AZB 53/06 - Rn. 7 mwN., juris). Vorliegend hat das Arbeitsgericht den Beschwerdewert zutreffend auf 7.835,52 € festgesetzt. Anhaltspunkte für eine - offensichtliche - Unrichtigkeit bestehen - entgegen der von der Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht geäußerten Zweifel - nicht. Das Arbeitsgericht hat zutreffend von dem eingeklagten Bruttobetrag die bezifferten auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche in Abzug gebracht. Es musste nicht den sich ergebenden Nettoauszahlungsbetrag zugrunde legen. Die Verurteilung der Beklagten umfasst auch die auf die Bruttovergütung entfallenden Steuern (vgl. nur BGH 21.04.1966 - VII ZB 3/66 - Rn. 13, juris) und Sozialabgaben. Im Fall der Zwangsvollstreckung aus einem Bruttourteil ist der gesamte Betrag beizutreiben (Schaub ArbR-HdB/Linck, 19. Aufl. 2021, § 71 Rn. 11 mwN.).

Die Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin kann auf Zahlung der Bruttovergütung abzüglich des von ihr bezogenen bezifferten Arbeitslosengeldes klagen.

II.

Die Klage ist auch begründet. Die Parteien haben im gerichtlichen Vergleich vom 24.09.2018 die rückwirkende Abrechnung des Arbeitsverhältnisses ab dem 25.06.2017 vereinbart.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 25.06.2017 bis einschließlich 18.10.2017 sowie auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 19.10.2017 bis einschließlich 29.11.2017 abzüglich von dieser bezogenen Arbeitslosengeldes I.

1.

Die Klägerin hat ihre Klage zutreffend auf den Bruttobetrag gerichtet, da der Arbeitsgeber grundsätzlich einen Bruttobetrag schuldet. Dass die Beklagte bestimmte Abzüge für Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge bereits einbehalten und abgeführt hätte, hat diese weder behauptet noch nachgewiesen.

Erhaltenes Arbeitslosengeld oder Krankengeld hat die Klägerin korrekt netto abgezogen (vgl. nur BAG 24.09.2003 - 5 AZR 282/02 - Rn. 42, juris).

2.

Der Klägerin steht für die Zeit vom 25.06.2017 bis einschließlich 18.10.2017 Annahmeverzugsvergütung in der vom Arbeitsgericht zugesprochenen Höhe zu, §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte befand sich nach Maßgabe der zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil während der Elternteilzeit der Klägerin in Annahmeverzug mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 615 BGB in gleicher Weise zu vergüten ist wie wenn sie gearbeitet hätte.

  1. a) Zwar hat die Klägerin in diesem Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht. Die Beklagte wurde jedoch rechtskräftig verurteilt, den Anträgen der Klägerin auf Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit im Gesamtzeitraum vom 25.07.2017 bis einschließlich 24.04.2018 zuzustimmen (Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein 12.10.2017 - 8 Ca 705/17; LAG Rheinland-Pfalz 10.07.2018 - 6 Sa 521/17). Damit steht rechtskräftig fest, dass sich die Klägerin in diesem Zeitraum in Elternteilzeit befand, § 894Satz ZPO. Nahm die Beklagte das Angebot der Klägerin zur Arbeitsleistung nicht an bzw. nahm sie die erforderliche Mitwirkungshandlung nicht vor (§ 296Satz 1 BGB) und war die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig, führt dies zu Ansprüchen der klagenden Arbeitnehmerin aus Annahmeverzug (§ 615 Satz 1 BGB) (vgl. nur BAG 09.05.2006 - 9 AZR 278/05 - Rn. 42, juris).
  2. b) Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen gerät der Arbeitgeber gemäß § 297BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106GewO wirksam näher bestimmte Tätigkeit aufgrund Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht zu bewirken.

Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Anspruch des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug auf dessen Leistungsunfähigkeit iSv. § 297 BGB erhebt er eine Einwendung, für deren Voraussetzungen er als Gläubiger der Arbeitsleistung die Darlegungs- und Beweislast trägt (BAG 22.08.2018 - 5 AZR 592/17 - Rn. 25 mwN.). Da der Arbeitgeber über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers regelmäßig keine näheren Kenntnisse hat, genügt er seiner primären Darlegungslast grundsätzlich schon dadurch, dass er Indizien vorträgt, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit im Annahmeverzugszeitraum geschlossen werden kann. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen, ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung der behaupteten Tatsachen zu erschüttern. Naheliegend ist es, insoweit die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Der Arbeitgeber ist dann für die Leistungsunfähigkeit beweispflichtig. Er kann sich auf das Zeugnis der den Arbeitnehmer behandelnden Ärzte und auf ein Sachverständigengutachten berufen. Trägt der Arbeitnehmer dagegen nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden (BAG 22.08.2018 - 5 AZR 592/17 - Rn. 25 mwN.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte bereits keine Indizien vorgetragen, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum geschlossen werden kann. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, die Klägerin habe den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 23.05.2017 im Verfahren mit dem Az. 8 Ca 705/17 mit einer Knieorthese wahrgenommen. Die Klägerin hat dies bestritten. Einer Beweisaufnahme zu dieser Frage bedurfte es nach Auffassung der Kammer jedoch nicht, da auch das - unterstellte - Tragen einer Knieorthese durch die Klägerin am 23.05.2017 kein Indiz für deren Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 25.06.2017 bis zum 18.10.2017 darstellt. Die Beklagte hat das Unvermögen der Klägerin nach Ansicht der Kammer ins Blaue hinein behauptet.

Das Tragen einer Knieorthese ist bereits an sich kein Indiz für die Leistungsunfähigkeit ihres Trägers im Hinblick auf die geschuldete Arbeitsleistung als in Elternteilzeit tätige Assistenzärztin in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses. Eine Knieorthese dient dem Schutz, der Stabilisierung und Entlastung des Kniegelenks. Je nach Einsatzzweck wird das Gelenk entlastet, fixiert oder unbeweglich gemacht. Die große Produktpalette reicht von elastischen Kniebandagen über Knieschienen bis hin zu speziellen Sportorthesen. Wie sich aus der Teilnahme am Gerichtstermin ersehen lässt, wäre die Klägerin bei - unterstellter - Verwendung der Knieorthese nicht gehindert gewesen, den Weg zum Gericht und in den Gerichtssaal zurückzulegen. Hieraus ergibt sich, dass sie auch Wege am Arbeitsplatz hätte zurücklegen können. Auf die eigentliche ärztliche Tätigkeit in der Psychiatrie würde sich eine Knieorthese nicht auswirken. Entsprechend der rechtskräftigen Verurteilung im Vorprozess war die Klägerin zudem im streitgegenständlichen Zeitraum nur zur Arbeitsleistung im Umfang von 25 Wochenstunden an den Tagen Montag bis Freitag von 8.00 bis 13.00 Uhr verpflichtet und damit zu einer im Vergleich zur Vollzeittätigkeit körperlich weniger belastenden Arbeitsleistung. Auch die Beklagte hat schließlich nicht aufgezeigt, inwiefern die Klägerin an der Erbringung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit durch eine Knieorthese konkret gehindert gewesen wäre.

Hinzukommt, dass die Beklagte die Klägerin bereits einen Monat vor dem streitgegenständlichen Zeitraum einmal mit einer Knieorthese gesehen haben will. Selbst wenn diese auf einen Kreuzbandriss oder einen Achillessehnenabriss mit langwierigem Heilungsprozess hindeuten sollte, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sich eine solche Verletzung so zeitnah vor dem 23.05.2017 zugezogen hätte, dass sich der Heilungsprozess mit daraus resultierender Arbeitsunfähigkeit bis in den streitgegenständlichen Zeitraum hinein und über diesen erstreckt hätte.

Zudem hat die Klägerin eine Bescheinigung ihrer Krankenkasse betreffend ihre Arbeitsunfähigkeitszeiten für die Zeit seit dem 01.01.2017 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass die Klägerin im Kalenderjahr 2017 erst ab dem 19.10.2017 arbeitsunfähig gewesen ist.

  1. c) Die Beklagte kann dem Zahlungsanspruch der Klägerin nicht entgegenhalten, dass diese nicht mit einer Aufstellung ihrer Bemühungen anderweitigen Verdienst zu erzielen auf den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten in deren Schriftsatz vom 06.03.2020 reagiert hat, "hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin in der Zeit vom 25.06.2017 bis zum 29.11.2017 tatsächlich Arbeitsentgelt von der Beklagten beanspruchen kann", sei "demnach auch zu klären, inwieweit die Klägerin böswillig unterlassen" habe, "anderweitigen Verdienst zu erzielen bzw. - falls die Klägerin eine alternative Teilzeitbeschäftigung im fraglichen Zeitraum verfolgt haben sollte - ob und in welcher Höhe diese sich den im Rahmen dieses Arbeitsverhältnis erzielten Arbeitslohn auf das zu zahlende Arbeitsentgelt anspruchsmindernd anrechnen lassen" müsse.
  2. aa) Zwar hat die Beklagte der Klägerin bereits mit Schreiben vom 09.02.2017 ausdrücklich anheimgestellt, während ihrer Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufzunehmen.
  3. bb) Im dem Vortrag der Beklagten im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 06.03.2020 ist jedoch bereits kein konkretes Auskunftsverlangen der Beklagten etwa im Hinblick auf die der Klägerin von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge zu sehen. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte lediglich darauf hingewiesen, dass "die Berufungsbeklagte (...) dem Auskunftsverlangen der Berufungsklägerin mit Schriftsatz vom 06.03.2020 bis heute nicht nachgekommen ist." Sie hat weiter ausgeführt: "Solange aber die Auskunft nicht erteilt wird, kann die Berufungsklägerin die Zahlung des Annahmeverzugslohns verweigern, die auf Zahlung des Annahmeverzugslohns gerichtete Klage ist als zurzeit unbegründet abzuweisen, vgl. BAG, Urt. v. 24.8.1999 - 9 AZR 804/98 39)." Auch in der Berufungsbegründung hat die Beklagte keine konkreten Auskünfte verlangt, etwa zu den Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung.
  4. cc) Aber auch dann, wenn man die einleitenden Hinweise in der Berufungsbegründung auf die "aktuelle Rechtsprechung" des Bundesarbeitsgerichts vom 27.05.2020, "dass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge hat", dahingehend verstehen will, dass die Beklagte über solche Vermittlungsvorschläge Auskunft erhalten wollte, ist ein solcher Auskunftsanspruch im vorliegenden Fall nicht gegeben.

(1) Grundsätzlich besteht keine nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung für die Parteien des Rechtsstreits. Die ZPO kennt keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende - Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei (BAG 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 29).

(2) Von diesem Grundsatz abweichend kann allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 20 ff.) materiell-rechtlich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Auskunftspflicht bestehen.

Nach Treu und Glauben können Auskunftsansprüche bestehen, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den bestehenden Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann, ohne dass durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche die Darlegungs- und Beweissituation unzulässig verändert werden darf. Der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB setzt dabei im Einzelnen voraus (BAG 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 32 ff.): (a) das Vorliegen einer besonderen rechtlichen Beziehung, (b) die dem Grunde nach feststehende oder (im vertraglichen Bereich) zumindest wahrscheinliche Existenz eines Leistungsanspruchs des Auskunftsfordernden gegen den Anspruchsgegner, (c) die entschuldbare Ungewissheit des Auskunftsfordernden über Bestehen und Umfang seiner Rechte sowie (d) die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung durch den Anspruchsgegner. Schließlich dürfen (e) durch die Zuerkennung des Auskunftsanspruchs die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht unterlaufen werden.

Die für den Auskunftsanspruch erforderliche Sonderrechtsbeziehung kann unter anderem auf einer vertraglichen Beziehung der Beteiligten beruhen. Die unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben begründete Auskunftspflicht setzt des Weiteren im Regelfall einen dem Grund nach feststehenden Leistungsanspruch voraus. Ist ein Vertragspartner zur Begründung von Einwendungen auf die Information durch den anderen angewiesen, genügt eine Wahrscheinlichkeit, dass die Einwendung begründet ist (BAG 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 34). Der Auskunftsanspruch erfordert zudem, dass der Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang des Rechts im Ungewissen ist und sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann. Das bedeutet, dass er zunächst alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternehmen muss, die Auskunft auf andere Weise zu erlangen (BAG 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 34). Die Auskunftserteilung muss dem Anspruchsgegner zumutbar sein, er muss die Auskunft unschwer erteilen können. Hiervon ist auszugehen, wenn die mit der Vorbereitung und Erteilung der Auskunft verbundenen Belastungen entweder nicht ins Gewicht fallen oder aber, obwohl sie beträchtlich sind, dem Schuldner in Anbetracht der Darlegungs- und Beweisnot des Gläubigers und der Bedeutung zumutbar sind und er hierdurch nicht unbillig belastet wird. Erforderlich ist insoweit eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls (BAG 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 36).

(3) Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin im vorliegenden Sonderfall nicht zur Erteilung einer Auskunft verpflichtet.

(a) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis und damit die erforderliche Sonderrechtsbeziehung. Die Beklagte erhebt gegen die von der Klägerin geltend gemachten vertraglichen Entgeltansprüche aus §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB Einwendungen nach § 615 Satz 2 BGB (nicht nach § 11 Nr. 2 KSchG), für die sie darlegungs- und beweispflichtig ist.

Nach § 615 Satz 2 BGB muss sich der Arbeitnehmer auf den Annahmeverzugslohn den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart und durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Anrechnung hindert bereits die Entstehung des Vergütungsanspruchs (BAG 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 39).

Der anderweitige Erwerb muss kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglicht worden sein und darauf beruhen. Anrechnungsfähig ist damit nur der Zwischenverdienst, den der Arbeitnehmer während der Zeit erzielt hat, in der er im Annahmeverzugszeitraum beim Arbeitgeber hätte Arbeitsleistungen erbringen müssen. Anzurechnen ist nicht, was der Arbeitnehmer überhaupt durch seine Arbeitskraft erwirbt, sondern nur der Erwerb, der ihm erst durch das Unterbleiben der Arbeitsleistung ermöglicht wird (BAG 24.02.2016 - 5 AZR 425/15 - Rn. 16 mwN.). Nebenverdienste, die der Arbeitnehmer auch bei Erbringung der vertraglichen Arbeitsleistung hätte erzielen können, werden nicht angerechnet. Stand der Arbeitnehmer in einem Teilzeitarbeitsverhältnis ist deshalb nicht jeder anderweitige Verdienst anrechenbar, sondern nur der Arbeitsverdienst, der ursächlich darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitnehmer nicht zu arbeiten brauchte (BAG 06.09.1990 - 2 AZR 165/90 - Rn. 34 ff. mwN., juris).

Weiter muss der Arbeitnehmer sich nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Der Arbeitnehmer unterlässt böswillig anderweitigen Verdienst, wenn er vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Anzurechnen ist ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft hätte erwerben können, den er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war (BAG 22.03.2017 - 5 AZR 337/16 - Rn. 33). Gegenüberzustellen ist damit der Vergütungsanspruch für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren, und der Verdienst, den er in dieser Zeit anderweitig hätte erwerben können (Schaub ArbR-HdB/Linck, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 84 mwN.).

(b) Im vorliegenden Sonderfall besteht nach Auffassung der Kammer nicht die geforderte Wahrscheinlichkeit, dass die Einwendung böswillig unterlassener Arbeit durch die Beklagte begründet ist.

Die Klägerin hat sich nach Ablehnung ihrer Beschäftigung in Teilzeit während der Elternzeit durch die Beklagte bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet.

Vorliegend befand sich die Klägerin nicht in einem gekündigten, sondern in einem unstreitig fortbestehenden Arbeitsverhältnis und nahm Elternzeit in Anspruch. Die Elternzeit bestand zu Beginn des streitgegenständlichen Anspruchszeitraums ab dem 25.07.2017 nur noch für den vergleichsweise - auch im Hinblick auf eine erforderliche Einarbeitungszeit - kurzen Zeitraum von zehn Monaten. Nach der Elternzeit hatte die Klägerin wieder ihre Arbeitsleistung als Assistenzärztin in der psychiatrischen Abteilung für die Beklagte zu erbringen. Die Klägerin stand damit für eine anderweitige Tätigkeit lediglich für maximal zehn Monate zur Verfügung, in denen sie zudem weiterhin vertraglich an die Beklagte gebunden war.

Annahmeverzugsvergütung beansprucht die Klägerin lediglich für die erste Zeit des Annahmeverzugs der Beklagten vom 25.07.2017 bis zum 18.10.2017, da sie sodann arbeitsunfähig erkrankte.

Darüber hinaus war nach § 615 Satz 2 BGB nur eine böswillig unterlassene Arbeitsleistung zu berücksichtigen, die die Klägerin von Montag bis Freitag in der Zeit von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr hätte erbringen können. Nur in dieser konkreten Zeit ist ihre Arbeitsleistung durch die Nichtbeschäftigung seitens der Beklagten freigeworden.

Anhaltspunkte dafür, dass auch im Hinblick auf diese konkreten Umstände äußerst kurzfristig zu besetzende, passende freie Stellen und zumutbare Verdienstmöglichkeiten als Assistenzärztin bestanden hätten, ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten. Sie hat weder selbst der Klägerin Arbeit angeboten noch ihr passende Stellengesuche zugesandt noch die Klägerin über anderweitige Verdienstmöglichkeiten informiert, um diese aktiv zur Prüfung von Beschäftigungsoptionen zu veranlassen. Vielmehr hatte sie schon mit Schreiben vom 09.02.2017 die von der Klägerin begehrte Teilzeittätigkeit unter Bezug auf ihre bereits im Juli 2016 abgeschlossene Personalplanung für den Zeitraum vom 26.06.2017 bis 24.04.2018 abgelehnt. Auch dieser von der Beklagten angegebene Personalplanungszeitraum deutet darauf hin, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass die Klägerin unter den gegebenen Umständen kurzfristig für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum bei einem anderen Arbeitgeber eine anderweitige zumutbare Tätigkeit hätte aufnehmen können und dies böswillig unterlassen hat.

(c) Die Beklagte trägt zudem widersprüchlich vor, wenn sie einerseits behauptet, die Klägerin sei leistungsunfähig gewesen, andererseits hingegen, die Klägerin habe böswillig unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen.

3.

Für den Zeitraum vom 19.10.2017 bis zum 29.11.2017 hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG.

Wird der Arbeitnehmer im Annahmeverzugszeitraum infolge Krankheit arbeitsunfähig, so endet gemäß § 297 BGB der Annahmeverzug (vgl. BAG 29.10.1998 - 2 AZR 666/97 - Rn. 26, juris). An seine Stelle tritt ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EFZG (Schmitt EFZG/Schmitt, 8. Aufl. 2018, EFZG § 3 Rn. 84). Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist dann allein ursächlich für die Arbeitsverhinderung (BeckOK ArbR/Ricken, 64. Ed. 1.6.2022, EFZG § 3 Rn. 23; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, EFZG § 3 Rn. 21),

In dem Zeitraum vom 19.10.2017 bis 29.11.2017, der sich an den Zeitraum, in dem sich die Beklagte in Annahmeverzug befand, nahtlos anschließt, war die Klägerin durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert, ohne dass sie ein Verschulden traf.

4.

Hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Klageforderung für den Zeitraum vom 25.06.2017 bis zum 18.10.2017 durch die Klägerin und das Arbeitsgericht hat die Beklagte keine Fehler aufgezeigt. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

 

Urteil vom 27.07.2022, LAG Rheinland-Pfalz, 7 Sa 223/20

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